Stadtrat lehnt Spitalstrategie der Regierung ab

19. Dezember 2019
Altstätten – Die St. Galler Regierung und der Verwaltungsrat der Spitalverbunde haben eine neue Spitalstrategie erarbeitet. Diese sieht künftig nur noch vier Spitäler sowie fünf minimalistisch ausgestattete Gesundheits- und Notfallzentren im Kanton vor. Der Stadtrat lehnt diese Strategie ab. Er kritisiert das Vorgehen der Regierung scharf und fordert für das St. Galler Rheintal ein «MedPlus-Spital» mit Zusatzangeboten im Bereich der Altersmedizin.

Der Stadtrat Altstätten ist unzufrieden mit der von der Regierung vorgeschlagenen Strategie zur Weiterentwicklung der St. Galler Spitalverbunde, welche künftig in Altstätten statt des Spitals lediglich noch ein sogenanntes Gesundheits- und Notfallzentrum (GNZ) vorsieht. Der Stadtrat glaubt nicht, dass diese GNZ langfristig überlebensfähig sind. Er vermutet, dass die GNZ vielmehr als «Beruhigungspille» für die betroffenen Standorte wirken sollen. Für einen nachhaltige Lösung wäre jedoch ein differenziertes medizinisches Angebot im Rahmen eines sogenannten «MedPlus-Spitals» notwendig, wie es die Spitalkonferenz der St. Galler Gemeinden fordert. Solche «MedPlus-Spitäler» bieten ein ambulantes und stationäres medizinisches Basisangebot der allgemeinen und inneren Medizin, einen Operationssaal für ambulante Eingriffe und spezialärztliche Sprechstunden. In Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten der Region soll eine jederzeit zugängliche Walk-in-Notfallklinik betrieben werden. Für den Standort Altstätten fordert der Stadtrat weiterhin ein bedarfsorientiertes Zusatzangebot im Bereich der Altersmedizin (insbes. Akutgeriatrie, geriatrische Tagesklinik, Gerontopsychiatrie, geriatrische Rehabilitation und Palliativmedizin).

 

Pessimistische Planung mit Fragezeichen

Die Regierung lehnt in Ihrer Vernehmlassungsvorlage eine solche Lösung mit Verweis auf die daraus resultierenden höheren Defizite ab. Interessanterweise wäre am Standort Flawil eine renommierte private Schweizer Klinikgruppe bereit gewesen, ein ähnliches Angebot umzusetzen. Es stellt sich die Frage, weshalb ein privater Anbieter ein solches Spital offensichtlich kostendeckend betreiben könnte, während die Spitalverbunde mit einem Defizit rechnen. Es ist augenfällig, dass der Verwaltungsrat die heutige Situation der Spitäler sehr pessimistisch darstellt. Die Spitalverbunde haben in den Jahren 2016 und 2017 Reingewinne erzielt. Im Jahr 2018 ergab sich gegenüber Budget eine Besserstellung von 20 Mio. Franken und auch für das Jahr 2019 ist ein Resultat zu erwarten, welches – trotz Wertberichtigung der Übergangsfinanzierung für die Spitalregion 4 - deutlich über Budget liegt. Diese offensichtliche pessimistische Finanzplanung nährt den Verdacht, dass mit der Schliessung von Regionalspitäler hauptsächlich das Kantonsspital gestärkt werden soll. Dass dabei allerdings die Gesundheitskosten tendenziell steigen, bleibt unerwähnt.

 

Fragwürdiges Vorgehen von Anfang bis zum Ende

Der Stadtrat anerkennt einen strategischen, organisatorischen und finanziellen Reformbedarf bei der St. Galler Spitallandschaft. Er ist bereit, einen Beitrag zugunsten der wirtschaftlichen Stabilisierung des Kantonsspitals zu leisten. Dieses soll die Zentrumsversorgung mit spezialisierten Leistungen übernehmen, während alle anderen Spitalstandorte für eine adäquate, zweckmässige und wohnortsnahe Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sorgen. Der Stadtrat kritisiert jedoch die angewendete Methodik und das daraus resultierende Schlussresultat scharf. So wurden vom Verwaltungsrat in der ersten Phase der Strategieentwicklung «hinter verschlossenen Türen» irreversibler Fakten geschaffen. Völlig unverständlich und gar befremdend ist es, dass diese durch den Verwaltungsrat festgelegte Ausgangslage vom Regierungsrat nicht in Frage gestellt wurde. Damit waren die Rahmenbedingungen für die weitere Strategieentwicklung entsprechend viel zu eng gesetzt. Die notwendige offene Beurteilung aller relevanter Fakten und Szenarien wurde damit verunmöglicht. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass die Strategie ohne Berücksichtigung anderer inner- und ausserkantonaler Angebote entwickelt wurde. Die Vorsteherin des Gesundheitsdepartementes, Regierungsrätin Heidi Hanselmann kündigte gestern an, dass die Kantone St. Gallen und die beiden Appenzell die Spitalleistungen künftig koordiniert anbieten wollen. Dies ist einerseits begrüssenswert, unterstreicht jedoch deutlich, dass der vorliegenden Spitalstrategie offensichtlich eine belastbare Grundlage fehlt und sie deshalb bereits wieder überholt ist.

 

Der vom Stadtrat im Rahmen des Teilprojekts «Alternative Vorschläge» eingebrachte Lösungsvorschlag für eine sinnvolle Spital- und Notfallversorgung im Rheintal wurde vom Lenkungsausschuss mit den Vorschlägen anderer Standortgemeinden über einen Kamm geschert und lediglich oberflächlich behandelt. Auf diverse Aspekte der vorgeschlagenen Lösung wurde überhaupt nicht eingegangen. Eine qualitative Beurteilung der Zukunftstauglichkeit der vorgeschlagenen Lösung fehlt vollends. Es wäre jedoch ein Gebot der methodisch korrekten Arbeitsweise wie auch des Respekts gegenüber den Standortgemeinden, sich differenziert mit den eingebrachten Lösungsvorschlägen auseinanderzusetzen. Der Stadtrat muss leider ernüchtert feststellen, dass das Einbringen alternativer Vorschläge von Anfang an ein sinnloses Unterfangen war, in welchem es wohl hauptsächlich darum ging, die betroffenen Standortgemeinden zu beruhigen.

 

Korrektur durch den Kantonsrat notwendig

Der Stadtrat hat heute seine Vernehmlassung bei der Kantonsregierung eingereicht (diese ist auch auf der Homepage der Stadt Altstätten zu finden; Stichwort: «Vernehmlassung»). Es ist allerdings zu befürchten, dass die Botschaft der Regierung kaum mehr massgebliche Anpassungen erfährt. Der Kantonsrat wird bereits im April und Mai 2020 die Botschaft beraten. Es liegt nun in der Verantwortung der Kantonsrätinnen und Kantonsräten das Vorgehen des Verwaltungsrates und der Regierung zu hinterfragen und eine zukunftstaugliche kantonale Spitalstrategie einzufordern. Hierfür ist im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen ein ergebnisoffener Prozess auf der Basis fundierter und neutraler Fakten notwendig. Im Weiteren sind – unter frühzeitigem Einbezug aller Akteure - die Spitalregionen differenziert zu betrachten und entsprechend auch standortspezifische Lösungen zu erarbeiten. Die von der Regierung vorgeschlagene Spitalstrategie kann diesen Anforderungen nicht genügen, ist untauglich und deshalb abzulehnen.

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